Kürzlich berichtete die Dresdner Morgenpost über eine Schmiererei am Kristallpalast. Ein Graffiti prankt auf der Front mit dem Satz: „Eure Liebe kotzt mich an!“. Böse Zungen der Kulturszene behaupten, Sie wären darin verwickelt. Was sagen Sie dazu?

Was soll ich dazu sagen, außer dass irgendein Boulevardschmierfink eine Beziehung zwischen mir und einer „Straftat“ herstellt? Ich kann nur vorsichtig hineininterpretieren, was der Autor damit meinte. Aber ich werde das lassen, sonst unterstellen Sie mir tatsächlich noch die Urheberschaft!

Bei aller Liebe! Sie können froh sein, dass ich, im Gegensatz zu Ihnen, besonnen und aufgeklärt an so einen Fall herangehe. Ganz klar ist, es will uns jemand ein Thema aufdrücken: Er oder Sie schreibt es in bunten, großen Lettern an eine Hauswand, an der jeden Tag viele Menschen vorbeigehen.

Ich persönlich mag so etwas nicht, weil es aufmerksamkeitserheischend ist und nicht sonderlich sachorientiert. Ich meine, was ändert sich schon nach so einem Ausspruch? Gerade dieser, der ja Raum für Interpretationen lässt?

„Eure Liebe kotzt mich an“ enthält immerhin Adressat und Absender. Jemandes Gefühl scheint jemanden zu überfordern. Nun, der Kristallpalast, an dem sich die „Schmiererei“ befindet, ist ein Kino. Nicht wenige Filme sind auch Liebesfilme. Vielleicht ist hier die Quelle des Ärgers zu suchen.

Ich persönlich nehme war, dass ich im Fernsehen und Kino im Grunde genommen immer die selbse Geschichte einer Liebe erzählt bekomme. Oft idealisiert, selten realistisch und extrem selten weise und bereichernd. Mich beschleicht dabei immer die Frage: War’s das? Soll’s das gewesen sein? Mann findet Frau, beide heiraten, bekommen Kinder und wenn sie nicht gestorben sind usw.? Inklusiver der Rollenklischées. Ich zweifle.

Meine Beobachtungen stimmen mit den Geschichten der Filme selten über ein: Ich erlebe Menschen, die ewig auf der Suche sind, von Partner zu Partner wechseln. Ich erlebe Menschen, die sich festgelegt haben und damit unglücklich sind. Ich erlebe Menschen, die sich festgelegt haben und sich mit kleinen Belohnungen darüber hinwegtäuschen, dass sie ihre Entscheidung bereuen.

„Die“ Liebe ist – das ist meine Erkenntnis – ein Irrtum. Sie gibt es nicht. Wer liebt, um selbst geliebt zu werden, sollte eher mit einem guten Freund oder einer guten Freundin reden, über Geschehenes oder Versagtes.

Früher hätte ich gesagt: „Liebe ist der Mantel der Fortpflanzung.“ Ich hatte mich getäuscht, weil es homosexuelle Paare, Objektliebe, Fetische etc. nicht erklärt bzw. diskriminiert. Liebe ist vielleicht ein Konsens: zwischen mir und einem anderen Menschen (oder Lebewesen oder Objekt). Dass man gemeinsam Lebenszeit verbringen möchte, so wie man gemeinsam als Kind mit jemanden gespielt hat. Und wenn man gerufen wird, dann verabschiedet man sich – und sieht sich vielleicht wieder.

Sie waren kürzlich zu Gast in der Talkshow von Markus Lanz. Dabei haben Sie gesagt, dass „Edward Snowden ein guter Demokrat“ sei. Wie meinten Sie das?

Ich versuche mich über einschlägige Onlinemedien über den Fall von Edward Snowden auf dem Laufenden zu halten. Wie auch immer die Menschen auf der Welt ihn oder sein Verhalten bewerten, es entsteht unweigerlich die Frage in meinem Kopf: Unter welchen Bedingungen darf ich mein Land verraten?

Zu erst einmal liebe ich es, bei solchen bedeutungsschwangeren Fragen die sprachliche Goldfeile hervorzuholen und sie genauer zu beleuchten. Verrät Edward Snowden wirklich sein Land? Oder eine Organisation seines Landes?

Wer fühlt sich verraten und wer ist das verraten worden? Sind das die selben Personen und Organisationen?

Stelle ich mir die Frage auch noch, wenn ich sie „runterbreche“? Auf meine Stadt, meinen Arbeitgeber, meine Familie? Gibt es jemanden, den ich niemals verraten darf? Und was schwingt alles im Wort „Verrat“ mit? Ist die positive Deutung nicht eigentlich: Ehrlichkeit. Wahrheit. Offenbarung. Die Befreiung eines Menschen aus einer objektiv oder subjektiv wahrgenommenen Spannung?

Liegt in der Offenbarung nicht auch eine Chance? Eine unangenehme zwar, aber eine Chance, die vieles zukünftiges auf solidere Beine stellt?

Die Frage schwebt nach wie vor durch meine Gehirnwindungen und will sich nicht setzen. Ich denke, es ist vielleicht eine maximal subjektive und individuelle Entscheidung, etwas zu verraten, was ex- oder implizit nicht verraten werden darf.

Es ist selbst für den „Verräter“ eine Herausforderung: Auf der einen Seite steht der sachlich dokumentierte und erkannte Missstand, auf der anderen Seite die Beziehungen zu Menschen, die ihm wichtig sind und die durch die Offenbarung möglicherweise Schaden erleiden oder die Angst, von der Gesellschaft, in er bisher gelebt hat, verstoßen zu werden.

Ich finde es wichtig, dass wir im Fall eines Verrates nicht nur einen Gerichtsprozess anstreben. Sondern auch eine ebenso wirksame Offenlegung über Motive und Erleben des Offenbarenden. Es muss ein Verfahren geben, dass die Redlichkeit und gleichzeitig das individuelle Leiden des „Verräters“ prüft und ggf. anerkennt.

Im Fall von Edword Snowden hieße das: Sollte er einem juristischen Prozess zugeführt werden, dann hoffe ich, dass er zuvor einem moralischen, psychologischen Prozess bekommt, in dem er sein Verhalten, seine Motive und sein Erleben schildern und unkommentiert, aber dennoch öffentlich und in der Diskussion mit Vertretern/-innen der Gesellschaft behaupten muss. Und das Ergebnis dieses Prozesses sollte auch nachvollziehbar den juristischen Prozess beeinflussen, wenn seine Motive und der Nutzen seiner Tat von der Zivilgesellschaft anerkannt wurden.

Als ich sagte, Snowden sei ein guter Demokrat, habe ich zur Grundlage benannt, was eigentlich (!) selbstverständlich sein sollte: Das man einander seine Meinungen frei äußern kann und das das respeketiert (!!), nicht unbedingt akzeptiert (!!!) wird. Er ist ein guter Demokrat, weil er das gelebt hat, was die Aufklärung vor 200 Jahren versucht hat zu etablieren: Das Demokratie eine sach- und lebensorientierte Gesellschaftsform ist, die klare Regeln hat, aber Zweifel an ihr zum Thema macht und den Dialog nicht scheut. Für mich ist einfach keine Demokratie, wenn es einen Geheimdienst gibt, der alle Widersacher der Gesellschaftsordnung zum Feind erklärt und dabei alle wohlgesonnenen Bürgerinnen und Bürger mitverdächtigt. Überhaupt halte ich gar nichts von Geheimdiensten. Sie sind für mich ein Mißtrauenszeichen: Des Staates in sein Volk, der Gegner der Demokratie in den Staat.

in einem bett

an einem bett
bedeckt mit glitzernd weißem stoff
ein kanu ins reich der toten
erinnere ich mich
an die säulen
die um uns ragten
den stein der dich stemmte
friedlich schliefst du
in der wiege
der ewig ruhenden
verstand es nicht
kein atemzug war mehr zu hören
kalt und fad war deine haut
nur zaghaft durfte ich dich berühren
wollte ich dich umarmen
ich wollte dich am liebsten wachrütteln
soviel dass ich dich
auch heute noch fragen wollte
stimmt es, dass wir uns an die toten erinnern
die uns weisheiten hinterlassen?
wo warst du als alle männer weg waren und aufeinander schossen?
wer warst du, bevor wir uns kennenlernten?
heute, nahezu jahrzehnte später
ist das alles immer noch wirklich
ich hoffe du bist drüben
bei den anderen
ich hoffe
ich kann dich eines tages wiedersehen

08.11.2013

Mann, erwachend

Und er erwachte.
Er erwachte.
Nein, er
öffnete seine Augen.
Er öffnete seine Augen zögernd nur.
Als wären sie beschwert.
Er dreht sich um,
sein Körper kramt die Decke hervor,
verschwindet darunter.
Er krümmt sich.
Es sieht aus,
als trieb es ihn zurück,
als robbte er über den Strand zurück ins Meer der Träume.
Er greift wage um sich das Kissen suchend.
Er wirft es über seinen Kopf,
dass die Welt stumm wird.
Das Licht, dass durch’s Fenster hineinfällt,
verfehlt ihn vollkommen,
denn seine Sehnsucht
nach einer anderen Wirklichkeit zerrt ihn hinüber.
Er kämpft krampfhaft gegen die Übermacht, die sein Geist ihm gegenüber ist.
Er erwachte. Erwachte,
In seinem Traum.

15.10.2013

warum menschen

warum tragen menschen hohe schuhe?
warum tragen sie schminke?
tragen sie gold und silber
dass es nur so blinke?

warum reden menschen abgehoben?
warum tragen sie die nase zu weit oben?
warum blicken sie hernieder?
erkennen sie sich wieder?

warum tragen menschen feine kleider?
warum foltern sie ihre leiber?
warum achten menschen auf sitten?
ist es leichter sich etwas zu verbitten?

warum spielen menschen rollen?
warum werden sie depressiv?
ist es nicht das leben, dass sie wollen
oder geht alles schief?
die menschen gibt es nicht
wie wir sie gerne hätten
nicht in dieser kneipe
in den mäulern die zigaretten

23.09.2013

der pflaumenbaum

neben dem supermarkt
auf einem flecken wiese
stand ein schöner pflaumenbaum
wuchs und wuchs
trug und trug
menschen kamen
jahre gingen
niemand, der sich bückte
niemand, der nach oben griff
bis heute steht der baum voller pflaumen
sind es menschen
die an ihm vorübergehen
aber aus einem unbekannten grund
können sie ihn nicht sehen.

11.09.2013

der zufall

der zufall
ist ein alter herr
er zockt die ganze zeit
während menschen
nach gründen suchen
ist er zu allem bereit

würfeln ist sein liebster zeitvertreib
geduldig wartet er
auf einen zug
auf den er mit mut
aufspringt

im dampf der kneipe
ist er glücklich
dass er singt

07.10.2012

ein frischer morgen

ein frischer morgen
gewaschen vom regen der nacht
unter der grauen wolkendecke
glotzt ’ne rote sonne
an die häuser
an der ampel
vereinzelt menschen
und der duft
von parfum

26.08.2013

verborgen bleibt

mit dem rücken zum brunnen
stehst du
mit einem cent in der hand
deine augen geschlossen
wünschst du dir etwas
das mir verborgen bleibt
ich stehe vor dir
mit nichts in der hand
ich sehe dich an
und wünsche mir
nichts sehnlicher
als dass ich ihn dir erfüllen kann

25.08.2013

maria & joseph

maria & joseph
– ein übliches paar
sie fühlte sich wie ein promi
er wie ein star

jung und voller träume
schwebend und versetzen bonsaibäume
immer glücklich und mit glitzer
auf der sonnenseite im sportlichen zweisitzer

es musste kommen
was kommen musste
ein kind war unterwegs
von dem erstmal keiner wusste

maria wurde nervös und nervöser
josephs ego
kleiner und adipöser

maria suchte etwas halt
und fand eine fantasie dergestalt:
eigentlich auch ganz niedlich
so ein ding
erweckt schließlich
aufmerksamkeit wie ein diamantenring
speckige backen hat’s auch
und einen knuddeligen bauch

joseph, angesichts seiner blässe,
straffte durch und öffnete die fresse:
ich werde vater,
ich bin jetzt wer!
ich trau mich auch
zu ungeschütztem geschlechtsverkehr!

das kind schlüpfte
die freude war riesengroß
gesund und munter
welch‘ schönes los!

bereits nach ein paar tagen
wird den beiden klar:
ein kind zu haben
ist nicht nur wunderbar

maria hat schon augenringe
er nur noch blick für andere dinge
weil das kind quängelt und schreit
ratlos stehen sie vor seinem leid

ja, es scheint nicht so niedlich
und schon gar nicht friedlich
nach sieben tagen am stück:
maria, joseph und das vermeintliche glück,
brüllt maria in ihrer not:
joseph, schlag es endlich tot!

12.08.2013