Sie sagten vor Kurzem in einem Interview mit einer bekannten Zeitung, Sie wären kein Talent, aber Künstler. Was meinen Sie damit?

Ich denke daran, was uns unsere Eltern gesagt haben: „Sei schön artig, pass gut auf, hier: dein Butterbrot. Lern gut für dein Leben.“ Und in der Schule wartete ein Lehrer und fragte: „Was soll aus euch werden?“ Da dachte ich an Boykott.

Ich werde doch nicht irgendwo geboren und gehe nicht in irgendeine Schule um meinen Weg vorbestimmt zu bekommen. Anderen ist der Weg vorgegeben, mir nicht.

Ich will nicht irgendeinen Multikulti-Begriff herausstampfen, aber sich mit einer Gitarre an den Straßenrand zu stellen und Hutgeld zu kassieren, ist doch friedlicher als jeder Angestelltenjob.

Lassen Sie mich es so sagen: Als Künstler brauchst du niemanden ärgern, weil es keiner erwartet. Und: Die Macht wächst proportional mit dem Geld.

Zu ihrer Frage, in welchem Kontext Talent und Kunst stehen, seit wann braucht ein Künstler Talent? Das sind doch alte Schuhe, die zieht sich keiner mehr an. Heute kann jeder alles. Das ist prima. Humboldt hat mit seiner Allgemeinbildungstheorie gute Samen gesät.

Stellen Sie sich vor, Sie wären ein Buch. Welches wäre das, und warum?

Was für eine Frage! Ich kann mich kaum zwischen Äpfeln und Bananen entscheiden und nun Ihre journalitische Herausforderung. Ich wäre gern eine Bibliothek: alles Wissen vereint und doch, in jedem Roman, jeder Liebesgeschichte steckt ein Hauch menschlichen Fühlens. Um auf Ihre Frage zurückzukommen: die Bibel.

Ich wäre das meistgelesene, meistgedruckte Buch und die Wahrscheinlichkeit in der dynamischen Moderne verloren oder gar vergessen zu werden, ist gleich null.

Ich nehme es gleich vorweg: alle Versuche, dieses Buch zu lesen, sind gescheitert. Lag es an der altdeutschen Schrift, durch die sich mein Exemplar von 1934 auszeichnete, oder an der
Vorstellung, dass Menschen älter als 300 Jahren werden können? Ich weiß es nicht genau.

Man kommt auch ohne den Inhalt dieses Buches durch das Leben.

Sie wollen eine Religion gründen. Erzählen Sie mir mehr darüber.

Keinesfalls! Ich wurde in meinem Artikel in der Zeitschrift „Der Wachturm“ völlig missverstanden. Ich sagte nicht, ich wolle eine Religion gründen, sondern ich halte alle Religionen für Sünden. Religionen bieten Struktur im Wildwasser des Lebens. Einen Anker des großen Schicksalsdampfers, der in alle und doch in keine Richtungen zu fahren scheint.

Menschen, die orientierungslos sind, brauchen Struktur. Ich bin mir meiner ungefähren Ziele im Klaren. Ich finde es wahrlich heilig und edel, verschrieben sich die Religionen dem, was sie niemals ausschliesslich machten: Halt zu geben. Religionen heute sind Freibeuter, die sich an ganz gottesfremden Dingen bereichern um dann in Beichte und Predigt die Gemeinde beisammen zu halten. Ein schweres Urteil.

Ausschlaggebend war natürlich auch mein Telefonat mit Gott, gerade als ich im Lidl vor der Wursttheke stand. Er meinte, dass ich ruhig mal was aufbauen könnte, gerade jetzt, wo alle eine Krise haben, die anderen Götzen wären schon auf Kurzarbeit gesetzt, da käme ihm so ein junger Mensch ganz recht, der mal wieder ein bisschen Schwung in das alte Gerüst aus Welt und Religion bringt. Ich fragte ihn: „Salami oder Schinken?“ und er legte einfach auf.

Ich gebe zu, es kostete mich einige Mühen dies herauszufinden, aber Sie haben sich nicht nur der Literatur verschrieben: neben dem Friedensnobelpreis, den Sie für die explosionsfreie Atombombe bekamen, sind Sie auch der Verfasser der 12-bändigen Enzyklopädie: „Die neuartigen Grundlagen der höheren Mathematik“. Ausserdem sind Sie mit Ihrer Monographie „Der Urknall aus Sicht eines Phosphor-Atoms“ der erste, der wissenschaftlich korrekte poetische Lyrik verfasst hat. Welche Wissenschaftlichen Grundlagen definieren Sie derzeit?

Aktuell arbeite ich mit Josef Ackermann an der Neuauflage des Manchester-Kapitalimus. Wir wollen die Menschen noch effizienter ausbeuten und gleichzeitig die Renditen bis 2020 verzehnfachen.

Wir überlegen gerade, ob wir das Bargeld abschaffen um nur noch digital bzw. mit Karte zu zahlen. Einziges Problem: wir haben noch keine Lobbyisten.

Josef meinte, das wäre kein Problem, er hat noch irgendwo einen Bankenrettungsschirm unter dem sie sich verstecken können.

Oder besser gefragt: Über welchen existenziellen Erkenntnissen brüten Sie, wenn Sie den Laborkittel überstreifen?

Nun, so gesehen die alte Erkenntnis: Geld regiert die Welt. Der Rubel rollt. Der sonst als Floskel verschriene Satz wird Wahrheit. Seriös gesehen habe ich natürlich eine andere Erkenntnis: investiere nur in das, wovon du Ahnung hast.

Der Staat hat definitiv keine Ahnung von Finanzsystemen. Denn irgendwann, vor vielen Jahrhunderten, hat er das ja privatisiert. Seit diesem Zeitpunkt haben die Finanzsysteme eine Eigendynamik entwickelt, bei der der Staat höchstens Zuschauer ist.

Aus meiner Sicht sollten alle Banken, die durch die Krise Pleite gegangen wären, Pleite gehen. Die Darlehen der Wirtschaft sollten zuvor von den staatliche Banken (Sparkassen, Landesbanken) bzw. der Bundesbank (oder der KfW) ausgelöst werden. Die Ablösesummen hätte dann vielleicht einige Banken sogar gerettet.

In Ihrem aktuellen Werk spielen Sie mit den Klischees der Deutschen, dabei greifen Sie auf die guten, alten Großbuchtsaben zurück. Ein Sinneswandel?

Das ist es ja! Der Deutsche schreibt groß! Was für ein Klischee! Und was für ein Klischee, dass wirklich ist! Der Deutsche schreibt nunmal als einziger GROß. Er war ja auch immer größer als alle anderen. Stärker und schneller usw.

Der Deutsche denkt immer in großen Dimensionen. Nein, es soll nicht Schlesien sein, nicht Polen, nein – die ganze Welt soll es sein! Dieser Größenwahn der Hitlerjahre ist wohl etwas, dass als Arroganz in der Moderne zurückgeblieben ist. Tatsächlich scheint das Image der Deutschen weltweit zugenommen zu haben. Viele mögen uns. Wie toll!

Es ging bei diesem Werk darum, die Lächerlichkeit der Klischees vorzuführen, in dem konsequent mit ihnen gespielt wird. Letztens zum Beispiel, stand ich an am Gemüsestand und ein Deutscher sagte zu seiner türkischstämmigen Frau: „Die Kiwis sind noch hart. Die sind noch nicht gut.“ Was für eine Entwicklung! Wir Deutschen haben neue Prioritäten gesetzt. Ein Licht am Ende des Tunnels durch das harte Granitmassiv.

Als Sie zu Beginn des 20. Jahrhunderts den Fernseher erfanden, wollten Sie damit der intelligenten und schönen Kunstform der „Literatur“ einen hirnlosen und einfältigen Gegner entgegenstellen, nur um zu zeigen, dass Wahrheit, Kunst und Freiheit nicht vernichtet werden können. Nun, da die Unterlegenheit so auf der Hand liegt: Werden sie das Ende der Fernseh-Ära literarisch begleiten? Und: wird man es live übertragen?

Ja richtig, das war damals ein schwieriges Projekt, prinzipiell gab es eine starke Konkurrenz, die tatsächlich meinte, mit Fernsehen bilden zu können. Ein schwerer Irrtum. Manfred von Ardenne, mein damaliger Mitstreiter und guter Freund, sagte einmal: „Die Natur strahlt vor edlem Glanz. Der Fernsehapparat ist einfach nur matt.“

Paradox an unserem Vorhaben war ja, dass wir die bestehende Freiheit ausnutzten um ihre Unverwundbarkeit zu testen. Literarisch wird der Niedergang des Fernsehens keinesfalls begleitet, über eine Live-Übertragung der Abschaltung der letzten Fernsehstation würde ich mich natürlich amüsiert zeigen, vor allem um danach die Gesichter des Medienpopanz zu sehen.

Herr K., Sie haben ja ein ganzes Stück Literaturgeschichte schon erlebt, aus erster Hand sozusagen. Bertolt Brecht zum Beispiel widmete Ihnen einen ganzen Band Aphorismen „Geschichten vom Herr K.“. Und auch in Goethes Faust hatten Sie eine kleine Nebenrolle als Mephisto. Welche Weltliteratur wird Ihr nächstes Abenteuer hervorbringen?

Ja, wenn Sie mich so fragen, ist das ganze sehr heikel. Autor und Publikum leben in einem stetigen Spannungsfeld: Der Autor soll überraschen, geradezu überzeugen und das Publikum soll applaudieren. Keine leichten Rahmenbedingungen.

Ich plane zur Zeit einen Blockbuster, wie Sie sicherlich wissen, spielen mir da meine großzügigen Kontakte nach Hollywood (USA) in die Hände. Ich verrate Ihnen schon mal den Titel des Entwurfes: „Give me my money back.“

Sie stehen bereits mit 21 Jahren im Zenit ihres Lebens. Die Ziele scheinen unbekannt. Was werden Sie machen?

Ich werde erstmal schauen, was das Glück für Tücken hat. Ganz zufrieden kann man nie sein, man hat ja immer was zu tun. Auch mal unangenehme Sachen.

Wenn ich an Kinder denke, dann auch an Windeln. Ich lasse mich ungern beunruhigen durch die steilen Karrieren meiner Generation. Das sind Meteoriten. Die verglühen irgendwann. Ich bleibe bodenständig. Ein Haus, ein ordentliches Auto, eine Frau und kleine süße Kinder, das ist doch natürlich.