Nun Herr Kaubitzsch, wie ich von einem sehr ambitionierten Flaschensammler erfahren habe, wurden Sie im Frühjahr in den wärmenden Räumen des VIP-Bereichs (des Rudolf-Harbig-Stadions, Anm. d. Red.) schmatzend angetroffen. Es soll sich dabei um Pudding und Mehrfrüchtekompott gehandelt haben. Wackelpudding! Wie hat er Ihnen geschmeckt?

Schmackhafter Wackelpudding ist in der Tat eine große Herausforderung. Oft unterlaufen meines Erachtens nach selbst erfahrenen Köchen und sogenannten Hausfrauen bei der Herstellung grobe Fehler.

Das Catering im VIP-Bereich war delikat. Meine Hochachtung! Üblicherweise verzichte ich ja auf die mir häufig als Geschenke angebotenen VIP-Tickets. Da es sich dabei lediglich um ein von Kommerzialiserung betriebenes „Fühlen-Sie-sich-wohl-in-dem-Sie-mindestens-80-Euro-dafür-bezahlen“-„Event“ handelt, lehne ich solche Angebote stets mit der Begründung ab, ich sei mir nicht zu Schade für den Pöbel.

Zurück zum Wackelpudding. Es ist ja so: Ein Wackelpudding ist eine Delikatesse deren gustatorischen Ausmaße nur die wenigsten zu schätzen wissen. Ein guter Wackelpudding wackelt. Das ist das Non-Plus-Ultra (Nicht zu verwechseln mit der heimischen Ultrabewegung).

Darüber hinaus muss die Konsistenz genau den Grad zwischen fest und flüssig treffen. Als Drittes ist der Geschmack natürlich unverzichtbar: ob Schokolade oder eine Fruchtgeschmacksrichtung, wichtig ist es, dass der Geschmack gleich einschlägt, kurz abschwillt um dann den Höhepunkt einer zweiten Geschmacksexplosion einzuleiten.

Schlechter Wackelpudding ist eher wie die CSU. Steif und schmeckt nach Späne. Literarisch habe ich dieses Thema bisher noch nicht verarbeitet, es fällt mir schwer, kraft dieses ästhetischen Produkts, einen weiteren künstlerischen Zugang zu finden.

Vor dem Hintergrund der Wirtschaftskrise und zunehmender sozialer Problemlagen steht die Befürchtung im Raum, rechtsextreme und linksextreme Parteien erhielten neuen Zulauf. Wie stehen Sie bezüglich des Verfassungswiderspruchs zum Verbot insbesondere rechtsextremer Parteien?

Parteien sind klassicherweise Ansammlungen von Menschen mit etwa gleicher politischer Gesinnung. Oft wird dabei verkannt, dass politische Gesinnungen ihre Ursache in den Lebensumständen der jeweiligen Menschen haben. Politik ist ein Forum der Veränderung.

Menschen, die sich in Parteien organisieren, wollen ein Land verändern, weil sie glauben, dass es auf ihre Weise für alle anderen Menschen und sie selbt das Beste wäre. Das dabei natürlich ein arroganter Anspruch gestellt wird, sei erst einmal dahingestellt. Schon allein das Motiv, andere Menschen bevormunden zu wollen, gehört für mich ins Strafgesetzbuch. Konkret zu Ihrer Frage: In rechts- und linksextremen Parteien sammeln sich Menschen, die von der demokratisch-freihheitlichen Gesellschaft und Lebensweise nicht integriert wurden.

Sie sind die Verlierer einer Gesellschaft, die stark selektiert, ob im Bildungswesen oder in der Arbeitswelt. Die Deutungshoheit liegt bei wenigen Eliten der Gesellschaft. Menschliche Existenz in unserem Land ist abhängig von Gesetzesauslegungen und -definitionen.

Ein Verbot rechts- oder linksextremer Parteien wäre Symptombehandlung. Politik und Wirtschaft kann diese Parteien aktiv schwächen, in dem Denkweisen und Entscheidungslogiken überprüft und geändert werden.

Geben Sie Menschen eine Perspektive, das tun zu können, was sie am besten können. Geben Sie für ihre Leistungen Anerkennung und Wertschätzung.

Sie sagten auf dem vergangenen Kongress der letzten lebenden Liberalen, es gibt keine Gleichheit unter Menschen. Beginnt damit eine neue Geschichtsschreibung? Wie kommen Sie zu diesem Schluß?

Der Mensch ist ein Wesen, das sich permanent in der Entwicklung befindet. Lebenslanges Lernen. Lebenslange Umgestaltung von Persönlichkeit und Identität. Wissen, Erfahrungen und Fähigkeiten sind das Ergebnis der stetigen Interaktion des Menschen mit seiner Umwelt.

Nehmen wir nun an, jeder Mensch habe genetisch und seelisch die gleichen Anlagen, die gleichen psychischen und physichen Voraussetzungen. Dann bliebe zu klären, ob jeder Mensch in der gleichen Umwelt aufwächst. Welchen Ort auf dieser Welt, sowohl sozial als auch lokal, gibt es ein zweites Mal? Keinen. Also können die Menschen untereinander auch nicht gleich sein. Gleichheit kann nur dadurch hergestellt werden, in dem die Unterschiede zwischen den Menschen ausgeblendet werden.

Aber wer will das schon? Wer will seine persönlichen Präferenzen aufgeben? Will auf Ressourcen verzichten, die für ihn unter ungleichen Umständen leicht zugänglich gewesen wären? Die Gleichheit unter Menschen ist ein Traum, eine Illusion und aus meiner Sicht kann diese Tatsache für immer bestand haben.

Halb Europa ist bald Pleite. Bereits 1986 prognostizierten Sie den Untergang der westlichen Welt. Wie stehen Sie zu den Finanzhilfen für Griechenland & Co.?

Ihre Frage spricht ein umfangreiches Themengebiet an. Aus einfacher, ökonomischer Sicht sind die Finanzhilfen natürlich ein Fiasko. Ein Land, das über seine Verhältnisse lebt, sollte demnach für die eigenen Verfehlungen aufkommen – mit allen politischen Konsequenzen. Dazu gehört natürlich Selbstkritikfähigkeit.

Die Politik, Verwaltung, Gewerkschaften und Menschen in Griechenland sollten sich ernsthaft fragen: Wo haben wir über unsere Verhältnisse gelebt und wo können wir jetzt sparen?

Natürlich ist es in Griechenland wie in jedem anderen westlichen Land: Es gibt keinen Schuldigen, keiner will die Verantwortung übernehmen, aber wenn die Fördertöpfe voll sind, aktiviert jede Interessengruppe ihre Lobbyisten um Geld zu scheffeln. Bedenklich.

Und diese Bestandsaufnahme macht keinen Halt vor Wohlfahrtsorganisationen. Alle sind betroffen, insbesondere das griechische Volk.

Nun zur systemisch-ökonomischen Sichtweise: Eine Finanzhilfe ist natürlich sinnvoll um den Wirtschaftsraum der Europäischen Union am Leben zu halten. Fällt Griechenland, fallen andere Länder mit.

Es gibt in diesem Sinne heutzutage keine nationale Wirtschaft mehr, weil jede nationale Wirtschaft mindestens mittelbar mit anderen nationalen Ökonomien verbunden und vernetzt ist.

Die Frage, die also bleibt, ist: Wer zahlt die Zeche? Ich bin dafür per Gesetz und Doktrin und Dekret alle privaten Banken der EU dazu zu verpflichten.

Jede private Bank soll einen Teil des Kredites stemmen, je nach Leistungsfähigkeit. Auch wenn Griechenland ganz schön gesoffen hat, den Wein hat die Finanzwirtschaft ausgeschenkt. Und der war alles andere als rein.

Sie sagten vor Kurzem in einem Interview mit einer bekannten Zeitung, Sie wären kein Talent, aber Künstler. Was meinen Sie damit?

Ich denke daran, was uns unsere Eltern gesagt haben: „Sei schön artig, pass gut auf, hier: dein Butterbrot. Lern gut für dein Leben.“ Und in der Schule wartete ein Lehrer und fragte: „Was soll aus euch werden?“ Da dachte ich an Boykott.

Ich werde doch nicht irgendwo geboren und gehe nicht in irgendeine Schule um meinen Weg vorbestimmt zu bekommen. Anderen ist der Weg vorgegeben, mir nicht.

Ich will nicht irgendeinen Multikulti-Begriff herausstampfen, aber sich mit einer Gitarre an den Straßenrand zu stellen und Hutgeld zu kassieren, ist doch friedlicher als jeder Angestelltenjob.

Lassen Sie mich es so sagen: Als Künstler brauchst du niemanden ärgern, weil es keiner erwartet. Und: Die Macht wächst proportional mit dem Geld.

Zu ihrer Frage, in welchem Kontext Talent und Kunst stehen, seit wann braucht ein Künstler Talent? Das sind doch alte Schuhe, die zieht sich keiner mehr an. Heute kann jeder alles. Das ist prima. Humboldt hat mit seiner Allgemeinbildungstheorie gute Samen gesät.

Stellen Sie sich vor, Sie wären ein Buch. Welches wäre das, und warum?

Was für eine Frage! Ich kann mich kaum zwischen Äpfeln und Bananen entscheiden und nun Ihre journalitische Herausforderung. Ich wäre gern eine Bibliothek: alles Wissen vereint und doch, in jedem Roman, jeder Liebesgeschichte steckt ein Hauch menschlichen Fühlens. Um auf Ihre Frage zurückzukommen: die Bibel.

Ich wäre das meistgelesene, meistgedruckte Buch und die Wahrscheinlichkeit in der dynamischen Moderne verloren oder gar vergessen zu werden, ist gleich null.

Ich nehme es gleich vorweg: alle Versuche, dieses Buch zu lesen, sind gescheitert. Lag es an der altdeutschen Schrift, durch die sich mein Exemplar von 1934 auszeichnete, oder an der
Vorstellung, dass Menschen älter als 300 Jahren werden können? Ich weiß es nicht genau.

Man kommt auch ohne den Inhalt dieses Buches durch das Leben.

Sie wollen eine Religion gründen. Erzählen Sie mir mehr darüber.

Keinesfalls! Ich wurde in meinem Artikel in der Zeitschrift „Der Wachturm“ völlig missverstanden. Ich sagte nicht, ich wolle eine Religion gründen, sondern ich halte alle Religionen für Sünden. Religionen bieten Struktur im Wildwasser des Lebens. Einen Anker des großen Schicksalsdampfers, der in alle und doch in keine Richtungen zu fahren scheint.

Menschen, die orientierungslos sind, brauchen Struktur. Ich bin mir meiner ungefähren Ziele im Klaren. Ich finde es wahrlich heilig und edel, verschrieben sich die Religionen dem, was sie niemals ausschliesslich machten: Halt zu geben. Religionen heute sind Freibeuter, die sich an ganz gottesfremden Dingen bereichern um dann in Beichte und Predigt die Gemeinde beisammen zu halten. Ein schweres Urteil.

Ausschlaggebend war natürlich auch mein Telefonat mit Gott, gerade als ich im Lidl vor der Wursttheke stand. Er meinte, dass ich ruhig mal was aufbauen könnte, gerade jetzt, wo alle eine Krise haben, die anderen Götzen wären schon auf Kurzarbeit gesetzt, da käme ihm so ein junger Mensch ganz recht, der mal wieder ein bisschen Schwung in das alte Gerüst aus Welt und Religion bringt. Ich fragte ihn: „Salami oder Schinken?“ und er legte einfach auf.

Ich gebe zu, es kostete mich einige Mühen dies herauszufinden, aber Sie haben sich nicht nur der Literatur verschrieben: neben dem Friedensnobelpreis, den Sie für die explosionsfreie Atombombe bekamen, sind Sie auch der Verfasser der 12-bändigen Enzyklopädie: „Die neuartigen Grundlagen der höheren Mathematik“. Ausserdem sind Sie mit Ihrer Monographie „Der Urknall aus Sicht eines Phosphor-Atoms“ der erste, der wissenschaftlich korrekte poetische Lyrik verfasst hat. Welche Wissenschaftlichen Grundlagen definieren Sie derzeit?

Aktuell arbeite ich mit Josef Ackermann an der Neuauflage des Manchester-Kapitalimus. Wir wollen die Menschen noch effizienter ausbeuten und gleichzeitig die Renditen bis 2020 verzehnfachen.

Wir überlegen gerade, ob wir das Bargeld abschaffen um nur noch digital bzw. mit Karte zu zahlen. Einziges Problem: wir haben noch keine Lobbyisten.

Josef meinte, das wäre kein Problem, er hat noch irgendwo einen Bankenrettungsschirm unter dem sie sich verstecken können.

Oder besser gefragt: Über welchen existenziellen Erkenntnissen brüten Sie, wenn Sie den Laborkittel überstreifen?

Nun, so gesehen die alte Erkenntnis: Geld regiert die Welt. Der Rubel rollt. Der sonst als Floskel verschriene Satz wird Wahrheit. Seriös gesehen habe ich natürlich eine andere Erkenntnis: investiere nur in das, wovon du Ahnung hast.

Der Staat hat definitiv keine Ahnung von Finanzsystemen. Denn irgendwann, vor vielen Jahrhunderten, hat er das ja privatisiert. Seit diesem Zeitpunkt haben die Finanzsysteme eine Eigendynamik entwickelt, bei der der Staat höchstens Zuschauer ist.

Aus meiner Sicht sollten alle Banken, die durch die Krise Pleite gegangen wären, Pleite gehen. Die Darlehen der Wirtschaft sollten zuvor von den staatliche Banken (Sparkassen, Landesbanken) bzw. der Bundesbank (oder der KfW) ausgelöst werden. Die Ablösesummen hätte dann vielleicht einige Banken sogar gerettet.

In Ihrem aktuellen Werk spielen Sie mit den Klischees der Deutschen, dabei greifen Sie auf die guten, alten Großbuchtsaben zurück. Ein Sinneswandel?

Das ist es ja! Der Deutsche schreibt groß! Was für ein Klischee! Und was für ein Klischee, dass wirklich ist! Der Deutsche schreibt nunmal als einziger GROß. Er war ja auch immer größer als alle anderen. Stärker und schneller usw.

Der Deutsche denkt immer in großen Dimensionen. Nein, es soll nicht Schlesien sein, nicht Polen, nein – die ganze Welt soll es sein! Dieser Größenwahn der Hitlerjahre ist wohl etwas, dass als Arroganz in der Moderne zurückgeblieben ist. Tatsächlich scheint das Image der Deutschen weltweit zugenommen zu haben. Viele mögen uns. Wie toll!

Es ging bei diesem Werk darum, die Lächerlichkeit der Klischees vorzuführen, in dem konsequent mit ihnen gespielt wird. Letztens zum Beispiel, stand ich an am Gemüsestand und ein Deutscher sagte zu seiner türkischstämmigen Frau: „Die Kiwis sind noch hart. Die sind noch nicht gut.“ Was für eine Entwicklung! Wir Deutschen haben neue Prioritäten gesetzt. Ein Licht am Ende des Tunnels durch das harte Granitmassiv.