pelziger pfirsich

saftig runde frucht
in zeitgefurchten händen
eines menschen
der sie aussortiert
beiseite fallen lässt
trotz süßer reife
ihrers felles wegen
das nicht in seine vorstellung passt
auch nicht
als sein tagwerk vorüber

zufall
hebt ihn von der erde
getragen von einer frau
die wissensgierig ist
untersucht sie
diesen außergewöhnlichen pfirsich
zeigt ihn
im müde mahlenden elfenbeinturm
enttäuscht
weil linsen und klingen
keine antworten bringen
landet er
gezeichnet von neugier
auf einem haufen
nahrungsreste
im hinterhof
eines waldes aus beton

noch bevor
maden und fliegen
ihm auf die pelle rücken
greift eine kleine hand
voller schlammgetaufter fingernägel
nach der frucht
hebt sie rettend
vor der fäulnis
in eine kiste
voller alltagsschätze

gegen abend
wenn die schwalben
am lautesten klingen
erlöst ein mädchen
mit messer
den pfirsich
von seiner haut
sein fleisch saftig und erfrischend
genüsslich gekaut
findet er wie kein anderer
seine bestimmung

im garten
umringend von ziegelsteinriesen
mit leuchtenden augen
so groß wie fenster
gräbt sie eine mulde
hinein
legt sie den kern
unter sternenlicht
im erdenreich
verschwindet er

23.07.2024

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bei uns in mickten
zwischen sonne und bäumen
da lebt ein junge
trägt immer drei hüte

stapelt sie auf seinem kopf
darunter seinen blonden schopf
klatscht und springt
brüllt und singt

auf spielplätzen turnt herum
wenn alle gehen
geht auch er
weiß niemand wohin

manchmal schaut er stumm
beobachtet lang
was fangen die anderen menschen an

spielt mit anderen
doch hat keine freunde
kann zusammensein
aber immer allein

wenn er sieht
wie ich ihn sehe
taucht ein weiches lächeln auf
dreht sich weg
und nimmt reiß aus

10.07.2024

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beben

dein leben
aus bruchstein
aus ruinen
mit schöner fassade
die zeit setzt den mörtel an
und auch dein geist!
der all die löcher
und lücken schließen vermag
an denen du dich einst
gestoßen, geschnitten hast
so enstehen paläste
und bruchbuden
deine überzeugungen
werden die maueranker
die alles zusammenhalten
so hausen wir
und schauen auf straßenzüge
voller menschlicher architektur
keiner wagt sich mehr
auf die straße
einander zu begegnen
sicherheit abzulegen
dein leben zu leben

06.02.2024

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abends
wir lagen im bett
für dich
wahrscheinlich routine
fielen mir oft fragen ein
meistens die selben
zum krieg
zum davor
und danach
oft hast du das gleiche geantwortet
das einfache
es war halt so und so
und dann ging man halt dorthin
wir hatten ja nichts
diese gelassenheit
hat mich dann in sicherheit gewogen
obwohl ich jung war
auch ein bisschen dumm
ließ ich deine sätze stehen
vielleicht auch aus respekt
oder sprachlosigkeit
bis der lauf der dinge
dich mitgenommen hat
zurück bleibe ich
mit etwas ärger
über verpasste chancen
denn menschen
wie dich
wird es kaum noch geben
in diesem land
die vor augen führen könnten
was es heißt
zu kämpfen und zu flüchten
zu hungern und zu fürchten
wiederanzufangen und aufzubauen
es könnte uns eines tages
zum verhängnis werden

19.07.2023

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sinnangst

die qual
tausend philosophen zu befragen
fühlt sich an
wie das fiebern
nach erlösung
um dann doch fragen in die luft zu nageln
sehlig sind die
denen diese frage
als randnotiz betrachten
der ohnehin
der vorschlaghammer
der realität
die lettern aufs wohlbefinden drischt

selbst die intellektuellen
mit vorstellungskraft
nahezu unerschöpflich gesegnet
vermögen die frage
nicht zu beantworten

doch so langsam
kommt mir der zweifel
dass die jagd
nach der antwort
der sinn ist
als die antwort selbst

denn wenn man
eine frage offen lässt
dann ist auch
für jeden etwas dabei

was wäre also
wenn es eine antwort gäbe?
nur alle haben angst
dass sie ihnen nicht gefalle

es braucht noch keine antwort
wenn die angst davor
groß genug ist
egal wie aufgeklärt
die menschen scheinen
es ist kein wissen möglich
ohne die natur des menschens selbst

23.01.2023

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danke für nichts

mein leben besteht
aus seiltanz
balanceakt und kostümierung
aus anpassung und versteckspiel
bei rot bleib ich stehen
bei grün darf ich gehen
wenn ich was zu sagen habe
habe ich die hand gehoben
manchmal erhoben
hände in den taschen
zu fäusten geballt
durch regen und alleinsein
mit mir ausgemacht
wofür ich sonst ausgelacht
ich habe schläge ertragen
keinen schutz bekommen
als sie mich trafen
abwesenheit war anwesend
gerettet hat mich das glück
die bessere variante vom zufall
menschen waren da
und trafen auf einen wachen geist
der fragen um leerstellen genagelt hat
um sie besser greifen zu können
herauszufinden
welches normal eigentlich normal ist
hat mich so viel zeit gekostet
dass ich erst danach darauf kam
dass es allen anderen
genau so ging
ein halbes leben vorbei
und heute
denke ich
kein leid mehr zu dulden
mich möglichst zu wehren
denn am ende
steht keiner da
und wird mich ehren
für leidensfähigkeit
und fresse halten
denn wie so oft
heißt es nur
hättest du mal was gesagt

13.01.2023

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auf dem eis

jahre jagen durch die zeiten
wie wellen auf denen wir reiten
bevor wir bemerken
wieviele schöne momente
sie verbergen
gleiten wir weiter
auf kufen aus ambitionen
deren verwirklichung
könnte sich lohnen
also augen zu und durch
die ziele vor augen
die uns oft den schlaf rauben
mit etwas glück
erreichen wir das ende
des eises
runzeln überrascht die stirn
hätte auch alles schief gehen können
nur die momente
liegen hinter uns
an denen wir bereitwillig
vorbeigerauscht sind
alles was bleibt
sind erfolg und zweifel

13.01.2023

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