Als ich ein Vater werden wollte

Es ging mir am Anfang darum, treu zu sein, ausdauernd treu,
problemlösend treu. Nicht dooftreu, bereit zu sein, an mir zu üben, um
ein guter Partner zu sein (was öfters nicht gelang). Als ich eine
Beziehung führte, die mir sehr ernst war, sich ein besonderer Alltag
einstellte, der darin bestand, Beziehung durch Entfernung, durch
berufliche Leidenschaft und vorübergehend offenes Konzept am Laufen zu
halten, weil der Mensch, mit dem ich das alles übte (lange habe ich mich
selbst gegen diesen Begriff gewehrt), so sanft, verspielt, liebenswürdig
erschien. Nur diese Eigenschaften mit der Zeit in den Hintergrund
traten, weil sie eben durch die drei oben genannten Herausforderungen
(selbstgewählte!) beiseite geschoben wurden und nie der Mut bei mir
bestand, sie wieder ins Rampenlicht zu ziehen.

Wie da also ein Alltag sich einstellte, der seltsam vertraut, seltsam
einfach und seltsam unbefriedigend war, klickte es in einem Moment, den
ich meinen eigenen Gedanken geschenkt hatte, dass das doch nicht alles
sein konnte. Es musste mehr drin sein.

Zuvor war die Idee, eine Familie zu gründen, erörtert, besprochen und
skizziert wurden, mit Bedingungen, die wunderbar zuversichtlich und
wunderbar unverbindlich waren. Und in mir entstand die Vorstellung,
vielleicht auch die Erwartung, oder am Ende auch Forderung, dass ich mit
über 30 nicht zum ersten Mal Vater werden wollte. Ich war noch mit gut
26 Jahren im Bereich des Möglichen.

Kopfkino. Der Film hieß: „Ein Kinderwunsch zerstört eine Karriere“. Er
ging so: Meine Partnerin war auf einen aktive Mitarbeit angewiesen,
wollte sie im Wissenschaftsbetrieb jemals an dem Punkt ankommen, wo
keine Projektfinanzierung mehr von 2 Jahren oder weniger über die
berufliche Existenz entschied oder diese mit einem hohen Maß an
Lebensortflexibilität hätte erkauft werden müssen. Lasst die Spiele
beginnen! Nur wer es im Wissenschaftsbetrieb bis zu Ende durchhält, darf
Professorin werden und dann auch endlich forschen, wofür das eigene(!)
Herz brennt. Leider liegt dieses Ende stets abseits der 30.

Was hatte ich also für einen Tausch aufgerufen? Familie um den Preis
beruflicher Ambition? Der (Wissenschafts-)Gesellschaft vor Augen führen,
dass ihre Vorgehensweise Familienplanung herabwürdigt zu etwas
Störendem, Verächtlichem?

Es ging in mir am Ende darum, etwas zu tun, was wahrscheinlich eines
Tages von Biografieforschern neu ausgelotet werden würde, als etwas,
dessen Rationalität erst zu Tage tritt, wenn der beurteilende Mensch
sich nur noch auf Beschreibungen berufen kann. Bis dahin wird es wohl
egoistisches, verletzendes, wenig beteiligendes, kampfloses Verhalten
sein, dass mich dazu führte, einen Neustart zu wagen. Meinen
Familienwunsch über den weiteren Fortgang einer doch mittlerweile
eingespielten Beziehung zu stellen.

Film Ende.

Das war hart, ich musste mich mental zwingen, dass durchzuziehen.
Erleichternd wirkte, dass durch die Ferne in der Beziehung und die
berufliche Leidenschaft, Zeit füreinander, Zärtlichkeit, Sinnstiftendes
für diese Beziehung immer weniger Platz gefunden hatte.

Es war hart für mich und hart für sie, auf ganz unterschiedliche Weise
und wenn ich es rückblickend betrachte, wird das „hart für mich“ für sie
stets ein Euphemismus bleiben und kaum soziale Würdigung finden, weil es
das ja nicht gibt in unserer Gesellschaft: Ein Mann, der fühlt (1.), der
die Beziehungsgestaltung aktiv in die Hand nimmt (2.) und eine Familie
gründen will (3.), um Vater zu werden (wichtige Ergänzung, weil oft 3.
praktiziert wird ohne dass sich die Männer über diesen Fakt den Kopf
zerbrechen wollen und auch nirgendwo darauf vorbereitet werden).

Nun stand ich da, alles auf neu. Bei 0 anfangen. Wow, wie ging das
eigentlich nochmal, eine Frau anzusprechen? Und wie schaffe ich das mit
Anspruch, ernstgenommen zu werden und auch der Frau zu vermitteln, dass
es mir ernst mit ihr ist? Und wie finde ich rechtzeitig heraus, was sie
will? Vor allem wegen dem Thema Kinder!

Ich spule nochmal ein wenig zurück, weil es hier ja um darum geht, warum
ich Vater werden wollte.

Ausgangspunkt: Der eigene Vater. Blaupause (wertfrei). Was war gut, was
war schlecht?
Nachsatz: Der Umgang mit Kindern. Fällt mir das leicht? Kann ich mich
gut in sie hineinversetzen? Erkenne ich einen Sinn darin, eigene haben
zu wollen („eigene“ könnten auch adoptierte sein).

Empfehlenswerter Glaubenssatz: Sei deinem Kind der Vater, den du dir
selber als Kind gewünscht hättest.

Mir kamen einige Umstände entgegen, die mir mein Bild von Vaterschaft
schon etwas zurechtgelegt haben: Ich bin mit 13 zum ersten Mal Bruder
geworden. Es folgten bis 22 noch drei weitere Geschwister, wobei die
Blutsverwandtschaft gern ignoriert werden kann.

Das Ganze hieß dann Babysitten, Alltag bewältigen und etwas Talent kam
vielleicht auch dazu. Ich konnte üben (da ist das Wort wieder).

Ich konnte ausprobieren. Was für Frauen wahrscheinlich banal klingt,
weil sie in diese Situationen ja quasi hineinkomplementiert werden, ohne
Rücksicht darauf, dass auch eine Frau ein eigenes Leben gern haben
könnte (letztlich rächt sich diese gesellschaftich und klammheimliche
Mutterisierung von Frauen u.a. darin, dass Frauen als Mutter manchmal
schwer auf sich achten können und stattdessen alles für den Nachwuchs
tun – sie waren ja von Kleinauf für andere da nur nie für sich selbst).

Ich wusste am Ende dieser Entwickung: „Ja, es könnte klappen.“ Also ich
hatte Freude daran mit Kindern in Austausch zu treten, mit ihnen zu
spielen, vielleicht auch weil das mir bis 13 alles verwehrt blieb. Ich
hatte nie jemanden kennengelernt, der mit mir spielte als ich ein Kind
war. Meine Rettung war meine Fantasie.

Anyway, es gehörte noch mehr dazu. Der Wunsch neuen Menschen die zu
vermitteln, in der Hoffnung sie wären dann klüger als ich selbst in
ihrem Alter und würde viel eher Dinge ändern oder gar richtig machen.

Der Ehrgeiz anderen zu zeigen, dass es möglich war, mit Kindern zu
leben, ohne sie zu schlagen, misshandeln oder psychisch zu belasten. Wie
sich herausstellte, ein Unterfangen, wenn ich selbst Adressat von Gewalt
und Vernachlässigung war.

Ich ging also los und schaute, dass ich bald möglich in eine Situation
geraden könnte, in der eine Familiengründung möglich war.

Und siehe da, als ich den anfänglichen Druck abgelassen hatte und nicht
mehr handeln musste, gelang es per Zufall tatsächlich eine Frau
kennenzulernen.