In einer Sonderausstellung von internationalen Künstlern im Museum of Modern Art Berlin haben Sie in Ihrer Rede gesagt: „Moderne Kunst ist sinnlos.“ Sie wurden daraufhin aus dem Saal geprügelt. Möchten Sie den Vorfall erklären?

Es gibt so einiges, was ich bisher erlebt habe, aber das übersteigt alles bei weitem. Sie glauben gar nicht, wie der Arzt geflucht hat, als er die Giacometti-Plastik aus meinem Hinterteil geschnitten hat.

Dabei war mein zentraler Leitgedanke doch gar nicht so abwegig. Auch die Künstler verrohen langsam. Nun gut, was soll ich dazu noch viel erklären.

Es zeichnet sich ab, dass alles, was mit „modern“ zu tun hat, sinnlos ist und wird. Beispiel: Sie kennen sicherlich die „moderne“ Architektur in den größeren Städten, die nur noch aus Glas und Beton besteht. Klar, vor fünf, sechs Jahren haben die Architekten argumentiert, dass diese Gebäude Brücken schlagen, in dem sie einerseits modern sind und andererseits in ihren riesigen Glasfassaden die historische Architektur spiegeln.

Aber, was ist, wenn die gesamte Stadtarchitektur nur noch aus Glasfassaden besteht? Moderne Kunst ist die billige Nutte des Kapitals! Es liegt doch auf der Hand, dass in Zeiten knapper Kassen auch bei der Kunst gespart werden muss. Zum Beispiel bei der Kreativität.

Also ich besuche jedenfalls kein modernes Museum mehr.

Im Moment ist in Sachsen die Hölle los: pikante Informationen über ein kriminelles Netzwerk von Mafia, Politikern und Beamten sind an die Öffentlichkeit gekommen. Grund zur Besorgnis?

Nein, auch hier gilt der Grundsatz: Wir haben es doch gut in Sachsen. Wir töten uns nicht, weil wir unterschiedlichen Parteien oder Religionen angehören, bei uns werden halt hier und da mal ein paar Steuergelder in den Sand gesetzt. Und ein paar Biografien geschändet. Das sind doch Sachen, die im internationalen Vergleich als Kavaliersdelikt durchgehen.

Ich bin natürlich insofern erschüttert, dass die Menschen sich nicht mehr wehren. Es ist doch trostlos, dass zum Beispiel die Leipziger nicht das Rathaus besetzen. Es interessiert keinen, nicht das fremde Leid, nicht das fremde Geld und fremde Entscheidungen.

Wir müssen uns mit der entpolitisierten Gesellschaft abfinden. Das ist der Tribut an die Demokratie.

Zurück zu ihrer Arbeit als Schriftsteller. Es fällt auf, dass Sie immer klein schreiben und ein „ß“ ist selten da, wo es sein müsste. Hadern Sie mit der deutschen Rechtschreibung?

In diesem Hinblick sind wir beide uns ziemlich nah. Sie arbeiten mit Sprache, genauso wie ich. Sie ist also der Ochse, der den Karren zieht, keine Frage, es ist nicht immer leicht, die richtigen Worte zu finden, aber im Zweifelsfall greift man auf Jugendslang zurück.

Ich schreibe fast ausnahmslos klein, weil ich der Meinung bin, dass Großbuchstaben unästhetisch sind.

Zwar stimme ich mit dem Vorteil überein, das Großbuchstaben besser lesbar sind, allerdings neige ich dazu, den Leser wie ein Kamel durch die Wüste zu treiben.

Das „ß“ ist hingegen mein unbeliebtester Buchstabe. Es hat weder einen Großbuchstaben, noch einen Stammplatz im Alphabet. Ich weigere mich, diesen Buchstaben als existent zu betrachten. Zu meiner Verwunderung wurde das „ß“ vor kurzem doch ins Alphabet aufgenommen und soll nun einen Großbuchstaben bekommen. Fürchterlich. Aber na ja, man kann die Leute nicht dran hintern, unwirklich zu arbeiten.

Paparazzi haben Sie vor kurzem mit Roland Emmerich und Steven Spielberg in einem Berliner Café gesichtet. Ein zweites Standbein?

Ja, nun, das Lyrik kein Goldesel ist, ist ja bekannt. Die Leute interessieren sich nicht mehr für private Theorien und Thesen. Vielleicht sind sie maulfaul geworden.

Jedenfalls traf ich mich im Café des Hotels „Ritz“ mit Emmerich und Spielberg. Sie haben mich gebeten in ihr neues Drehbuch reinzuschauen. Ich habe gesagt: „An der Wortwahl muss man noch feilen, das Storyboard ist sehr flüssig, dass muss man auch mit Worten unterstützen.“ Spielberg nickte, war recht angetan.

Über Preise redet man ja in Hollywood nicht mehr, seit dem die Ausgaben den neunstelligen Betrag überschritten haben. Hollywood ist so ziemlich die Symbolfigur des Kapitalismus: Produziert Reichtum am laufenden Band, nur bei den Menschen kommt nichts davon an. Traurig. Vor allem scheint sich auch die deutsche Filmbranche langsam dahinzubewegen.

Ich, für meinen Teil, versuche wenigstens etwas beizutragen, dass das System stilvoll untergeht.

Fast kaum jemand weiß etwas darüber: Sie sind bekennender Dynamo-Dresden-Fan. Wie kam es dazu?

Oh, da erwischen Sie mich auf dem richtigen Fuß.

Alles begann mit einer 2:3-Niederlage gegen Eintracht Frankfurt. Ich glaube 1995 oder so. Jahreszahlen gehören in den Geschichtsunterricht. Wie jeder eine Macke, eine kleine heimliche Leidenschaft hat, so gehe ich ab und zu ins Stadion.

Auf die VIP-Tribüne habe ich es noch nicht geschafft, aber wer will da auch hin. Pack schlägt sich, Pack verträgt sich!

Die Zeiten für die SGD (Anmerkung des Autors: Sportgemeinschaft Dynamo Dresden) sind übel geworden, seit die goldenen Zwanziger herrschen. Der DFB, die Polizei, die Politik, eigentlich alle Menschen kommen nicht damit klar, wie in Dresden Fußball gespielt wird.

Es ist auch ehrlich gesagt schwer erschließbar, aber ein paar Eckdaten: 5 Millionen Arbeitslose, höhere Diäten für Abgeordnete, jährliche Schulschließungen.

Ich überlasse es den Verantwortlichen, die Gewaltexzesse zu beenden.

Ich schaue gern zu. Eingreifen tue ich nicht. Mir ist das zu unanständig, ich weiß manchmal auch gar nicht, worum es geht. Aber in gewisser Weise lockt dieses Image der wilden, unzähmbaren Fanatiker mein Herz jedes Mal ins Rund. Das wird übrigens abgerissen.

Deutschland braucht keinen sauberen Fußball, sondern saubere Menschen. Einschließlich den Führungspersönlichkeiten. Erklären Sie einem Hartz-IV-Typ am Kiosk, der eine Flasche Bier trinkt, warum Politiker und Manager ihr Gehalt selbstbestimmen dürfen, während der Typ an der Theke auf Arbeit wartet und mit der Mehrwertsteuer auf seine Flasche auch noch die Gehaltserhöhung mitfinanziert!

Fußball in Dresden ist kein Einzelfall, es ist die offene Wunde eines Systems. Normalerweise lasse ich mich zu solchen dramatischen Sätzen nicht hinreißen, aber Sie haben es geschafft.

Ich bin sonst auch nüchterner. Ich schweige dann immer.

zwei fische

zwei fische
in einem wahrhaftig
riesigen ozean
schwimmen aufeinander zu
immer gerade zu

eine astronautin, oben,
über der sphäre
sieht sie wandern
aufeinander zu
versteckt
hinter ihrem visier
fliegt ein liebevolles lächeln
über ihre lippen

zwei fische
sie eilen und schwimmen
durch einen gigantischen ozean
ohne dass sie voneinander wissen
schwimmen sie aufeinander zu
immer gerade zu

ein pilot fliegt
unter dem dach
eines strahlend blauen himmels
über das meer
er sieht die zwei fische
und kann sich
ein schluchzen nicht verkneifen
sie erinnern ihn
an etwas längst vergessenes

zwei fische
jagen durch diesen
tiefen, geheimnisvollen ozean
sie irren nicht
sie taumeln nicht
schwimmen aufeinander zu
immer gerade zu

eine möwe kreist flach
über das wasser
dass kaum platz ist
zwischen gefieder und wellenbergen
sie sieht die fische
kräht aus güte
und lässt sie ziehen

zwei fische
auf ihrem weg
durch das nasse universum
dass sie nie voneinander wussten
in der weite und tiefe
schwimmen sie aufeinander zu
immer gerade zu
und doch:
aneinander vorbei

10.07.2013

was passieren wird

ich bin dumm!
die ganze zeit
versuche ich
mir vorzustellen
was wohl passieren wird
wenn ich mich in dich verliebe

doch es ist schon zu spät.

07.07.2013

wir, hier oben

durch die straßen
ziehen gläubige
eine prozession

hier oben warten
sitzen wir

der blaue himmel schwindet
die gläubigen predigen
schreiten durch die gassen

hier oben warten
sitzen wir

ein donnerschlag in der ferne
eine pechschwarze wolkenwand
die gläubigen zelebrieren
sie surren ewige verse

hier oben warten
sitzen wir

der tag ist dunkler als die schwärzeste nacht
die gläubigen flüchten
in ihre gotteshäuser

hier oben warten
sitzen wir

mit einem knall
berstet der himmel
ein sturm bricht los
es regnet flüße
straßen werden zu wildwassern
schwelen zu rettenden ufern

hier oben warten
sitzen wir

wir hören schreie
qualvolle und aufopfernde
wir sehen
wie es die ersten leichen
aus den fenstern quetscht

hier oben warten
sehen wir

wie gott seine kinder zu sich holt

hier oben warten
sitzen wir
oben auf dem dach

13.04.2013

aus dem nebel der vergangenheit

eisenketten wiegen schwer
auf meinen schultern
graviert darin sind bilder
aus alten zeiten
ich zerre an den ketten
breche an ihnen
eine knorrige, verweste hand
streckt sich mir entgegen
aus dem nebel der vergangenheit
greift mich am kragen
schüttelt mich
so dass all die furcht und angst
zurückkehrt
wie kann man schreckliches vergessen
doch sich an geschehenes erinnern?

08.04.2013

die bahn

die bahn schleicht vorbei
am palaisplatz
niemand lässt sie halten
niemand steigt aus
mitten in einer großstadt
während der himmel
den abend zeigt
gibt es einsame menschen
an einem ort voll von davon

08.04.2013